Von der Trauerweide

Von der Trauerweide
©2020-2024 R. Rehahn | Eine Trauerweide auf einem Spaziergang in der Heimat...

Aus der Reihe IMPRESSIONEN…

»Die Trauerweide neigt ihr Haupt,
als ob sie heimlich mit den Tränen trauert.
Doch ihre Äste strecken sich aus
in eine Welt, die keine Tränen kennt.«
– Friedrich von Schiller

Im Gegensatz zu den eher flüchtigen Blüten dieser Jahreszeit, die zwar immer wieder erscheinen und uns Jahr für Jahr erfreuen, sind Bäume aller Art weitaus beständiger.

Jedweder Bäume Lebenszeit übersteigt, die eines Menschen bei Weitem und darum ist es wenig verwunderlich, wenn wir in ihnen Halt, Geborgenheit und Gewissheit finden und sie für uns und das Leben ein Symbol für Beständigkeit sind.

Auch wenn viele Bäume alle Lebewesen Schutz, Ruhe und Schatten spenden und uns in ihre eigene magische Welt ziehen, vermag die Trauerweide dies doch in besonderem Maße, denn unter ihren Blättern existiert ein eigenes, wundersames Reich, zwischen Licht und Schatten, oft ein Symbol des Schmerzes und des Leidens, aber historisch auch als Heilpflanze überliefert und als Zeichen für Fruchtbarkeit und Wachstum bekannt.

Unter einer Weide spürt man die spirituelle Kraft, die sich aussendet.

Ein eigenes Reich entsteht, welches häufig auch als Übergang zwischen den Welten, dem Dies- und Jenseits betrachtet und erlebt wurde und das in allen Kulturen auf der Erde, in der Literatur, wie auch in der japanischen Mythologie, wo sie die Heimat der Mondgöttin und Symbol für Ruhe und Anmut ist, in der keltischen Mythologie für die Göttin Bigrid, wo er Weisheit, Intuition und Heilung darstellt, Unsterblichkeit und Langlebigkeit im alten China, wo selbst Konfuzius über den kostbaren Baum schrieb. Auch in der Bibel wird der Baum natürlich u. a. im Psalm 137 erwähnt, wo er Heimatlosigkeit und Hoffnung symbolisiert, in dessen Versen die Juden in Babylon sich ihrer Heimat erinnern und auf eine baldige Rückkehr hoffen.

»Hier, wo vom Erdenleid ein stummer Schauer
Dein Laubwald deckt, o Trauerweide, stehe,
Mögest du, wenn auch der Dichter lang entschlief,
Sein Grab bewachen bis zum letzten Tag.«
– Friedrich Schiller

Der Weidenbaum wird auch vor Gräbern verwendet und hat eine starke Symbolik von Tod und Leben, dient als Erinnerung an die Sterblichkeit, aber ebenso an unsere Fähigkeit belastbar zu sein und die Trauer zu bewältigen, in Widerstandsfähigkeit und Hoffnung in all diesen Wesenszügen menschlicher Existenz. In seinem Zwielicht finden wir eine Verbindung zwischen den Lebenden und jenen, die aus dieser Welt in eine andere Existenz übergegangen sind.

Wir sind als Menschen auch oft voller Ungeduld, leicht abzulenken und werden in die Irre geleitet, von irdischen Sehnsüchten, wie Schönheit, Reichtum und Macht, lassen uns bald hierhin und bald dorthin führen, scheinbar ohne ein eigenes und beständiges Wesen in uns, sowohl in zwischenmenschlichen Beziehungen als auch in unseren Träumen, Hoffnungen und Wünschen.

Wenn die Zweige einer Weide in den Boden eindringen und Wasser aufnehmen, beginnt sein neues Leben, weil sie dadurch weitere neue Zweige aufbauen und so die Möglichkeit entwickeln mehr Weidenbäume zu bilden, so also mit einem Neuanfang des Lebens verbunden sind.

»Die Wehmuth, wie sie Abends weint,
Die Trauerweide niederneigt,
Im Herz, das sehnsuchtsvoll sich einen
Die Luft und Schatten durch den Raum.«
– Johann Wolfgang von Goethe

Der Mensch täte gut daran sich all dessen zu erinnern, denn zu oft lassen wir uns von den ersten Winden unserer Launen, Befindlichkeiten, Unbequemlichkeiten und Ängsten fehlleiten, vom Weg abbringen, Menschen aufgeben und vorschnell Urteile über andere fällen.

Im Licht und Schatten eines Weidenbaums, der voller Anmut, Majestät und Schönheit ist, treten wir in eine Zwischenwelt ein, in der wir auf unterschiedlichen Ebenen existieren, denken und empfinden können. Eine Begegnung mit mannigfaltigen Wirklichkeiten, die über seinen Einflussbereich noch weit hinausgehen, denn der Baum verwandelt alles, wo er steht und gedeiht.

R. Rehahn, 03.04.2024

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